Die Implosion der „Titan“ ist nicht nur eine Tragödie, sondern auch ein Lehrstück darüber, was bei leichtsinniger Technikgläubigkeit und übermäßigen Sparsamkeit mit Risikotechnologien so geschehen kann. Wer sich das Tauchboot und die Filmchen aus seiner bisherigen Einsatzzeit anschaut, entdeckt schon mal in paar Dinge, die seltsam anmuten.
Erstens wurde das Gerät durch das Aufklappen der vorderen Druckkörperkalotte betreten. Es gab keine Dachluke. Nun ist es das erste Mal, das ich ein Tauchboote ohne Dachluke gesehen habe – dass auch nach dem Lesen umfangreicher Literatur u.A. von Professor Ulrich Gabler, der so viele U- und Tauchboote entwickelt hatte. Wie sollte man also die „Titan“ an der Oberfläche nach einer Havarie verlassen können? Die Antwort lautet: gar nicht.
Dann waren die Kabel zu den seitlichen Antrieben und unterhalb des Rumpfes nicht wirklich fixiert, sondern schlackerten lose herum. Das sah nicht nur unordentlich aus, sondern kann auch zur Gefahr werden.
Die Kombination eines CFK-Zylinders mit zwei Titanium-Kalotten halte ich schon für diskussionswürdig. Doch ist CFK allein schon ein Problem und noch nie bei ca. 390 bar Außendruck bei einem bemannten Tauchboot eingesetzt worden. Dazu wurde es für ein zylindrisches Bauteil verwendet, nicht für ein kugelförmiges. Es stellt sich die Frage, was die Temperaturverläufe während der Tauchgänge und der Stress bei dem erheblich Druckwechsel aus dem Material machten.
Auch lässt die Presseinformation, dass die eine Glasscheibe an der Frontseite nur bis zu 1.300 Meter zugelassen war. Zudem war sie viel größer als an anderen Tauchbooten, die in dieser Tiefe operierten. Ist sie letztlich geplatzt?
Die technische Inneneinrichtung mag seltsam anmuten, aber hat sicherlich insoweit funktioniert, wie es die dafür entwickelte Software zuließ. On der Controller nun von Logitech oder von Lockheed war, ist unerheblich. Der aus dem Kaufhaus ist immerhin bereits durch viele tausend Anwender getestet worden. Ich würde die Innenbeleuchtung auch nicht dort kaufen, wo sie teuer ist, sondern wo sie zu vernünftigen Preisen langfristig verfügbar ist. Teuer bedeutet nicht immer automatisch, dass es gut ist. Das ist ein typischer Irrglaube des gutsituierten Wohlstandsbürgertums.
Doch ist es verwerflich, das Einhalten von Sicherheitsanforderungen nassforsch über Bord zu werfen, während man für das Wohl seiner Passagiere verantwortlich ist. Das hat sich bislang immer bitter gerächt – die Luftfahrtgeschichte ist voll von derartigen Vorkommnissen. Die aufkeimende Branche der touristischen Expeditionen in die Tiefsee könnte mit diesem Unfall erheblich zurückgeworfen werden -was vielleicht auch gut ist. Nicht alles muss touristisch erschlossen werden. Immerhin ist die „Titanic“ auch eine große Grabstätte, die man mit der entsprechenden Ehrfurcht behandeln sollte.